Über meine Malerei
Ich arbeite seriell, in Variationen, immer verführbar von den lockenden Möglichkeiten, die in den plötzlichen Umschlägen von unwiederholbaren gestischen Pinselspuren zu Ideen entstehen. Ich beginne ohne Plan, impulsiv und improvisiert, ins Offene. Es gibt kein Sujet. Nur die sichtbare Präsenz des Bildes.
Die Farbe wird mit dem Pinsel so bewegt, dass plastische Eindrücke wie Wellungen, Aufkantungen, Staffelungen, Vertiefungen und räumliche Spannungen entstehen. Durch Hineinarbeiten in die Farbe auch mit anderem Material wie Zeichenkohle, Ölstifte, Spachtel etc., werden stark kontrastierende Texturen, Strukturen, Gliederungen und Unterteilungen erzeugt.
Das Weiß der Leinwand spielt eine Rolle, ist nicht als illusionistischer Bildraum, sondern bewusst als materieller Grund sichtbar gelassen, auf dem der Arbeitsprozess und das Entstehen von plastischen Wirkungen durch das Ansetzen und Bewegen des Pinsels nachvollziehbar ist.
Durch Verflüssigung der Farbe entstehen stark lichthafte, transparente Wirkungen. Ich arbeite mit Ölfarbe, weil diese im Gegensatz zur schnell trocknenden Acrylfarbe sich lange bewegen lässt und erlaubt, die Wirkung immer wieder neu zu erproben, bevor die Flüssigkeit erstarrt. Nie ist die Malerei fertig. Ein unabschließbarer Prozess, dieses dem Entworfenen eine Struktur geben, es geht immer weiter zum nächsten und zum nächsten.
Ein Bild zu beginnen im Weiß voller Möglichkeiten, das ist – grandiose Freiheit, das ist eine Zukunft zu haben. Figuratives und Ungegenständliches sind für mich nur Pole. Die Bewegung dazwischen treibt meine Malerei voran. Mir geht es nicht um Realismus der Erscheinung, sondern um Vertiefung. Was heißt „realistisch“ oder „abstrakt“? Immer geht es in der Malerei um Wesentliches, das heißt um Wirklichkeit. Wer würde bei einem so abstrakten Bildzeichen wie dem „Vorfahrt-Achten“-Schild nicht die Vorfahrt achten? Und zugleich ist in geheimnisvoller Weise das Wesen des Bildhaften nicht etwas Konkretes, sondern Abstraktion, so wie in der Musik, in der es keinen fassbaren Inhalt gibt. Wirklichkeit muss nichts mit der optischen Erscheinung zu tun haben. André Malraux sagte mit pathetischen, aber leuchtenden Worten: „Ins Unerkennbare…in ihm vermengt sich, was der Mensch zu erfahren hofft, mit dem, was er nie erfahren wird.“
Keiner weiß, was Wirklichkeit ist. Und doch muss man sich in jedem Alltagsaugenblick, und auch in der Kunst, ein klares Bild von ihr machen.